Ich will kurz meine Eindrücke über Mastodon schreiben. Das neue dezentrale Sozialen Netzwerk, was derzeit in vielen Medien Beachtung findet. Vielleicht motiviert dies auch euch, beizutreten oder doch noch zu warten?
Inhaltsverzeichnis
Denn gefühlt redet wirklich jeder über Mastodon. Vielleicht weil es gerade angesagt ist Twitter zu verlassen (z.B. der UARRR und #twexit und #deletetwitter ). Neben medium.com, hackernoon.com, … widmet sich auch XKCD #2045 und der Fefe dem Portal! Außerdem gehen ganze Ausgaben des Chaosradio #249, des wir-müssen-reden Podcasts #131 und des binärgewitter #208 sehr ausführlich auf Mastodon ein.Tja und nun gibt es mit fediversecast.com sogar einen eigenen Podcast, der über Mastodon hinaus geht und auch über das restliche Universum berichtet, was das W3C Protokoll ActivityPub erschließt….
Aber anstatt lange darüber zu philosophieren, ob es nun sinnvoller ist Tweets als Toots / Trööts zu bezeichnen, probiere ich mich dann eher an einem Vergleich der Ansätze und einer Beschreibung wie sich dies Netz anfühlt, sowie natürlich, was Vor-/Nachteile sein könnten. Ich denke mit einigen Wochen Vorlauf, kann ich das für den aktuellen Stand v2.5 (09/2018), einigermaßen sicher beurteilen . Viele technische Details stammen darüber hinaus auch aus dem „besser dem Kontinuum“ Podcast. Und zu Mastodon und den verwendeten Protokolle, gibt es auch hier „federation in social networks“ und im Video „Introduction to Mastodon with Craig Maloney“ viele weitere Details.
Einordnung
Das Internet war von Anfang an als dezentrale Struktur konzipiert, um möglichst robust zu sein. Das heutzutage, das Ganze eher sich um einige wenige zentrale Diensteanbieter sammelt, zeigt sich meist erst beim Konkurs eines solchen Betreibers, oder wenn die Möglichkeit fehlt, um ungewünschten Inhalten / Verhalten auszuweichen. Auch die dortige „Zensur“ zielt nicht nur auf die Kommunikation in repressiven Regimen ab, sondern greift auch bei der Depublikationswut vermeintlicher Rechteinhaber.
Solch verteilte Ansätze sind deshalb nicht nur schon lange von eMail, oder Jabber / XMPP und P2P bekannt, sondern es gibt auch seit vielen Jahren dezentrale Soziale Netze. So gab es bereits 2013 mit StatusNet (identi.ca, …) Protokoll-Entwicklungen, auf denen später sowohl Gnusocial (Quitter, …) als auch pump.io (jetzt identi.ca, …) aufbauten. Parallel wuchsen weitere unabhängige Netze, welche isoliert waren, oder über Interconnects verbunden waren. Eine sehr unübersichtliche Sache also, von denen mittlerweile allerdings viele Ansätze eingeschlafen sind und hier nur zur groben Einordnung genannt werden sollen. Da ich Friendica und Hubzilla nicht kenne, verweise ich dazu auf diesen Beitrag vom windflüchter und beschränke mich im Folgenden auf mein Wissen und Erfahrungen über Diaspora, Gnusocial und Twitter.
Mastodon | gnusocial | Diaspora | ||
---|---|---|---|---|
Aktiv seit | 2016 | 2013 | 2011 | 2006 |
Open Source | ja | ja | ja | nein (einige Werkzeuge veröffentlicht) |
Programmiersprache (backend) | Ruby on rails | PHP | Ruby on rails | Scala |
Apps | Android, iOS, SailfishOS, Ubuntu Phone, Windows Phone | Android, iOS | (bietet offiziell keine Client-API) | Android, iOS, SailfishOS, Ubuntu Phone, Windows Phone, … |
Netzwerk | the Fediverse | the Fediverse | the Federation | – |
Netzwerk Protokolle | ActivityPub, OStatus | OStatus | Diaspora | – |
Anzahl Server | ~ 3000 [1], [2] | ~ 200 [2] | ~ 450 [3] | – |
Anzahl reg. Nutzer | ~ 1.5 Mio [4], [5], [6] | ~ 1500 [2] | ~ 0,6 Mio [3] | ~ 335 Mio [7] |
Nutzer Verifikation | extern z.B. Server-Domain, keybase.io, … | extern z.B. Server-Domain, OpenID, … | extern z.B. Server-Domain, … | ja (Verfahren unbekannt) |
Durchsuchbarkeit | Nutzer, Hashtags | ? | Nutzer, Hashtags, alle Nachrichten des Servers | Nutzer, Hashtags, alle Nachrichten im Netzwerk |
Posts Features | ~500 Zeichen Text, Photo-Sammlungen, Web-Vorschau (oEmbed / OpenGraph), NSFW/CW-flag | ? | 65.535 Zeichen Text, markdown-Formatierung, Photo-Sammlungen, Umfragen, Geolocation, Web-Vorschau (oEmbed / OpenGraph), NSFW-flag | ~280 Zeichen Text, Photo-Sammlungen, Umfragen, Geolocation, Web-Vorschau (oEmbed / OpenGraph) |
Timeline(s) | chronologisch, Server, bekanntes Fediverse | chronologisch | chronologisch (bekannte Föderation) | automatisch (Verfahren unbekannt) |
Gruppen | Listen (nur Filter für Posts) | ? | Aspekte | Listen |
Crossposting mit | – | ? | Twitter, Tumblr | – |
Wie man erkennt, haben die Netze punktuell einen unterschiedlichen Funktionsumfang und sind unterschiedlich populär. Mastodon konnte als jüngstes Projekt auf viele Erfahrungen zurückgreifen, die mit den bisherigen Ansätzen gesammelt wurden. Das neu entstandene Fediverse ist allerdings inkompatible zur bereits existierenden „Föderation“ (siehe z.B. hier). Doch das neue standardisierte ActivityPub-Protokoll des W3C, bietet zukünftig die Möglichkeit, sich auch mit vielen neuen Diensten im fediverse zu verbinden, ohne dass spezielle Adapter gebaut werden müssen. Denn wie man an den Nutzerzahlen von Twitter und anderen kommerziellen social media-Plattformen sieht, muss man wirklich noch eine ganz andere Nutzerzahl binden und bedienen können, wenn man den sozialen Netzwerkeffekt vermeiden will.
Mastodon-Fediverse
Die volle Funktionalität bietet Mastodon (mstdn) nur im Zusammenspiel mit anderen Instanzen, welche auch ActivityPub sprechen: sie bilden das sogenannte ActivityWeb des Fediverse (siehe /we-distribute). Neben der offiziellen tootsuite, gibt es für Mastodon auch Ports in Rust (rustodon) und Python (pylodon). Abseits dessen gibt es eine wachsende Anzahl von Portalen für Blogs (Pleroma), Audio (funkwhale), Videos (peertube) und demnächst auch für Fotos (PixelFed). Konkret heißt das, dass Inhalte dieser Portale direkt in Mastodon sichtbar und abonnierbar wären. Aber auch, dass Kommentare / Favs etc. wiederum bei diesen Instanzen ankommen und an der „ursprünglichen Quelle“ gesammelt werden.Dies Netzwerk lässt sich sehr gut auf fediverse.network auflisten und bei fediverse.space interaktiv visualisieren. Weitere aufwendigere Analysen macht Luca Hammer, so unter anderem über die Community einer Instanz und die Verteilung der hashtags. Wobei ich bei meiner Nutzung bemerkt habe, dass sich hashtags doch eher langsam im fediverse verbreiten. Gerade wenn tags nur auf anderen Instanzen genutzten wurden, kann es Verzögerungen geben, ehe die lokale Suche und deren autocomplete diese auch anbieten.
Nur durch die bewusste Nutzung von hashtags werden Posts auch auffindbar. Wobei dazu immer nur der Teil des Fediverse durchsucht wird, den die eigene Instanz bisher kennt.
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit die Sichtbarkeit jedes postings künstlich zu beschränken (öffentlich, nicht gelistet, privat), was hier noch einmal anschaulich dargestellt wird. Das klappt übrigens auch während eines laufenden Dialoges, was sehr praktisch ist, um eine Unterhaltung im privaten Rahmen fortzuführen.
Wie bei anderen Netzen kann man auch hier Nutzer stummschalten / ausblenden, oder sogar blockieren / sperren. Das funktioniert auch für ganze Server / Instanzen und man kann natürlich auch seinen eigenen Account gegenüber der kompletten Öffentlichkeit sperren, so dass nur noch die eigenen Follower mitlesen können.
Das Wesen des Netzes steckt auch bei Mastodon in der Gesamtheit aller Server / Instanzen, welche eigene Regeln für Umgangsformen und zulässige Inhalte haben. Sie entscheiden auch selbst, mit welchen anderen Instanzen sie sich verbinden möchten. Dabei teilt sich auch die Moderation aller Inhalte und die Reaktion auf Beschwerden, auf die Administratoren und ihren Helfern auf. Es gilt dabei als gute Praxis, möglichst transparent zu sein, wie es etwa der Hauptentwickler Eugen Rochko (übrigens aus NRW) auf mastodon.social auch vorlebt.
Es fehlt übrigens eine einheitliche Möglichkeit, wirklich die eigene Identität gegenüber anderen zu bestätigen. Hier wäre der wohl gangbarste Ansatz, selbst eine Mastodon-Instanz unter der eigenen Domain zu hosten. Dies wäre gerade für Organisationen interessant die bereits eine gewachsene Nutzergemeinsacht haben z.B Wikipedia, OSM, Games, Parteien, Universitäten, NGOs, Vereine, … . Dort könnte ein Nutzer über single-sing-on sich mit seinem existieren Profil anmelden und gegenüber dem Fediverse auftreten. Weitere ganz generelle Designentscheidungen bzgl. des Datenschutz kann man im blogpost cage-the-mastodon und der offiziellen FAQ nachlesen. Und kleine allgemeine Unterschiede erklärt what-i-wish-i-knew-before-joining-mastodon.
Community im Fediverse
Wie beim Start jedes größeren Sozialen Netzwerks, gibt es auch bei Mastodon das Gefühl eines großen gemeinsamen Aufbruchs. Da man derzeit Themen nicht per hashtags folgen kann, treten deshalb einzelne Nutzer unweigerlich in den Fokus. Jeder kann dazu auf den verschiedensten Servern mehrere Konten anlegen, um die verschiedene Rollen des Lebens abzubilden (Universität , Arbeit, Verein, Nerd, Alltagsmensch, … ). Siehe dazu auch separate accounts based on one’s interests?.
Es gibt also zahlreiche Instanzen, auf welchen man sich ein Konto anlegen kann. Diese zeigen meisten einen Großteil des lokalen Streams öffentlich, so dass man dort bereits vorab einmal schauen kann, welche Diskussionen stattfinden. Ganz grob, kann man die Themen etwa wie folgt gliedern:
- Tech – gamedev.place, vis.social, fosstodon.org, kelnet.social, …
- Wissenschaft – scholar.social, qoto.org, …
- Nerdkram – Star Trek tenforward.social, Spiele tabletop.social, …
- Queer & Co LGBT – rubber.social, lgbt.io, pleasehug.me, …
- Linke Politik – antifa.gmbh, stalin.rocks, anticapitalist.party ,todon.nl
- Geografische Gegenden – Norden.social, Weimar, muenchen.social, bonn.social, ruhr.social, …
- ….
Die Startseite joinmastodon.org hilft sehr gut, um dabei den Überblick nicht zu verlieren. Die Wahl der Instaz ist darüber hinaus aber auch davon abhängig, wie viel Vertrauen man den Administratoren und ihren Fähigkeiten entgegen bringt. Bei meinen zwei getesteten Instanzen, waren die Admins / Mods immer zugänglich und auskunftsfreudig.
Die Nutzer, welche sich auf den verschiedenen Instanzen verteilen sind dabei sehr heterogen. Es sind sowohl die klassischen nerds&geeks aus dem CCC-nahen Umfeld, als auch early adopter aus dem Bereich Podcast und social media. Bei mir kamen auch einige Leute aus der Stadt von Twitter mit rüber. Dazu tummeln sich dort natürlich zahlreiche Organisationen und Projekte aus dem Open Source Umfeld. Kurzum: Das Spektrum ähnelt vielleich etwas mehr Twitter und ist breiter besetzt, als etwa bei Diaspora. Der Anteil der deutschen Nutzer ist leider nur schwer abschätzbar und schwankt stark von Instanz zu Intanz. Da es keine offiziellen Funktionen für trending-hashtags gibt, lassen sich die Diskussionsthemen nur z.B. mit dem mastodon-tags-explorer erkunden. Deutsche Wörter scheinen dort nicht oft vorzukommen.
Mastodon-Apps
Obwohl ich mastodon wie auch die anderen Netze vorzugsweise am Desktop nutze, wollte ich auch wissen, wie gut man die Plattform prinzipiell auf dem Smartphone bedienen kann.
Letztlich bin ich auf Android bei mastalab gelandet. Das hat zwar so seine Schwierigkeiten damit, selbstständig neue Inhalte abzurufen und kann auch nicht besonders gut offline arbeiten, aber ist ansonsten ganz ok. Leider habe ich aber unter LineageOS keine Möglichkeit Emojis zu nutzen, da die App dafür keine toolbar anbietet 🙁
Vorher hatte ich ANDstatus ausprobiert, aber das lies sich gar nicht erst mit meiner Instanz synchronisieren. Bei Tusk hatte ich dagegen das Problem, dass neue Meldungen in keiner Weise hervorgehoben wurden, so dass man nicht wusste, worauf man reagieren sollte.
Darüber hinaus gibt es einige interessante Tools für das Netzwerk. So etwa bridge.joinmastodon.org, welches es einem ermöglicht, die Follower von Twitter im Fediverse wieder zu finden und ihnen auch dort zu folgen. Der Twitter Mastodon crossposter ermöglicht es Tweets auch auf Mastodon zu posten und vice versa. Eine Erweiterung für Firefox ermöglicht das Teilen von Inhalten (Mastoshare), das klappt aber auch so, wenn man im Browserden Webhandler für Mastodon registrert.
Weitere nützliche Werkzeuge, wie etwa für den Betrieb von Bots etc. findet man auf awesome-mastodon.
Wahrnehmung
Die zuvor angesprochenen Aspekte alleine reichen dann doch nicht, um sich eine umfassende Vorstellung von dem Projekt und dem Netz als solches zu machen. Deshalb habe ich mich bemüht, einmal die positiven und negativen Dinge aufzulisten, die mir in den vergangenen Wochen aufgefallen sind. Jeder muss für sich selbst bewerten, ob diese für ihn wichtig sind, oder eben nicht.
Positiv
Mastodon ist es gelungen, nicht nur eine moderne Oberfläche zu entwickeln, sondern auch ein freundliches cooperate design, wo man sich in jeder Instanz schnell zurecht findet. Auch das auffinden einer zu einem passenden Instanz ist mit joinmastodon.org auch für normale Nutzer sehr komfortabel und das Introvideo erklärt die Idee sehr verständlich. Letztlich ist die Wahl auch reversibel, denn man kann das eigene Profil und seine Kontakte exportieren und importieren. Darauf aufsetzend gibt es sogar eine komplette Umzugsmöglichkeit mit einer Konten-Migration zu einer neuen Instanz. Die verteilte Moderation ermöglicht eine unterschiedlich starke Auslebung von freespeech und eine Anpassung an verschiedene Rechtsrahmen. Dazu zählt natürlich in erster Linie auch die Bekämpfung von Spam und der unterschiedliche Umgang mit Bots. Wer möchte, kann seinen Zugang übrigens auch mit 2FA zusätzlich absichern.
Sehr gut wird auch die Kennzeichnung von Inhalten genutzt, um den Nachrichtenstrom z.B. filtern zu können. So kann anhand der Sprache z.B. asiatische Posts ausgeblendet werden, die man einfach nicht lesen kann. Oder man interessiert sich nur für Photos und filtert „nur Medien“. Neben not-save-for-work (NSFW), können auch beliebige contant-warnings an ein Post gesetzt werden, etwa um sofort angezeigte spoiler zu vermeiden. Auch werden für Bilder explizit Beschriftungen für blinde Personen gefordert, um die Inklusion zu verbessern. Das deaktivierbare Autoplay, hilft dagegen mir selbst, die visualle Orientierung trotz animierte GIFs und Videos nicht gänzlich zu verlieren 😉
Das Setup einer eigener Instanz ist dank Docker wohl recht einfach. Dafür spricht auch, dass es neben einigen XXL-Instanzen mit mehreren 10.000 Nutzern, auch sehr sehr viele Instanzen mit nur wenigen hundert Nutzern gibt. Dort fühlt es sich dann doch etwas heimischer an, birgt aber auch einige Nachteile, weil man weniger Nachrichten in der lokalen Timeline sehen kann.
Negativ
Während meiner Testzeit sind mir leider auch einige weniger positive Aspekte aufgefallen. Entgegen der Meinung von gruenderszene.de empfinde ich das verteilte Konzept generell aber nicht als zu kompliziert.
Was mich wirklich sehr frustriert, ist die unübersichtliche Oberfläche, mit einem mehrteiligen Layout. Das kennt man zum einen von keiner anderen Plattform und es spielt andererseits auch keine Vorteile aus, wenn man dort etwa hashtag-Suchen oder Listen anpinnt. Dann wird man nur von dutzenden Posts gleichzeitig erschlagen.
Auch der Ansatz, dass man keinen hashtags folgen kann, empfinde ich als kontraproduktiv. Denn User schreiben natürlich über eine Vielzahl von Themen und werden dafür auch nicht sauber 4..5 Profile für ihre Interessenlagen nutzen wollen. Es wird so unnötig kompliziert gemacht z.B. gemeinsame Veranstaltungen zu verfolgen, aber auch weil sich die tags nicht gut im Netzwerk finden lassen. Ich bin zumindest skeptisch, dass workarounds wie followbots, federation relays und externe thematische Nutzerübersichten hier helfen können.
Auf der anderen Seite fehlt eine effektive Möglichkeit, den Umfang des Nachrichtenstroms gezielt einzuschränken, wenn man nicht nach hashtags, normalem Text, oder etwa Bot-Flags sehr einfach filtern kann. Der workaround mit den Listen greift in meinen Augen auch hier zu kurz, da sie sich wieder auf die Nutzer als Ganzes fokussieren. Außerdem sind Listen derzeit nur schlecht integriert, und man wird nicht angehalten, sie gleich beim Folgen eines Nutzers zu füllen. Es ist schade, dass man sie nicht auch gleich nutzen kann, um die Sichtbarkeit der eigenen Beiträge zu steuern (ähnlich den Aspekten bei Diaspora, oder den Circles von Google+).
Derzeit helfe ich mir einfach damit, dutzende anderer Accounts stumm zu schalten, damit ich mich auf die wesentlichen Inhalte in den timelines konzentrieren kann.
Obwohl mir die technischen Abläufe klar sind, fällt es mir bei Mastodon auch sehr schwer, zu verstehen wie sich replys auf posts im Netzwerk darstellen und wer wann benachrichtigt wird. Derzeit scheint das nur bei expliziter Erwähnung der Fall zu sein, was es bei reshares teilweise schwer macht eine (chronologische) Diskussion zu führen und als Themen-Starter überhaupt von aufkeimenden Diskussionen in reshares zu erfahren. Das Problem ist durchaus von Diaspora bekannt, wird hier aber in meinen Augen auch dadurch verschlimmert, dass die Anzahl der Antworten und Favs nicht vernünftig angezeigt wird. Dies scheint aber keine technische Restriktion zu sein, denn jede Instanz könnte das mit einem kleinen patch auch korrigieren.
Mir ist auch aufgefallen, dass man auf kleineren Instanzen deutlich weniger vom Fediverse mit bekommt, als auf größeren. Vielleicht gibt es bei der Vernetzung also auch noch Optimierungspotential….
Ein paar Kleinigkeiten sehe ich darüber hinaus eher als verpasste Chance. So wird derzeit viel Content über Bots hinzugefügt, sei es taz, DLF, oder die Tagesschau. Es wäre innovativ gewesen, wenn Nutzer RSS-Feeds bei Ihren Instanz-Administratoren vorschlagen könnten, wo diese automatisch auf Dublikate in Netzwerk geprüft werden könnten. So wäre es einfacher, die Kommunikation über die geteilten Inhalte zusammen zu halten und erweiterte Funktionen, wie an Mastodon angepasste hashtags zu ermöglichen.
Eine andere Kleinigkeit ist, dass es offenbar versäumt wurde, ein einheitliches #neuhier wie bei D* festzulegen, damit Neulinge schnell Anschluss finden. Da ist derzeit eher ein wilder Mix von #introduction, #introductions, …) und man wird nirgends auf diese Vorstellungsrunde hingewiesen.
Ganz so apokalyptisch, wie in Mastodon is dead in the water sehe ich das also definitiv nicht. Natürlich ist der derzeitige isolierte Parallelbetrieb von Fediverse und der Föderation nicht schön. Auch wird es eher nicht passieren, dass der eigene Freundeskreis auch kurzfristig in Mastodon auftaucht. Das mag aber nicht unbedingt wegen technischer Unzulänglichkeiten so sein, sondern weil Mastodon für diesen schlicht ein ganz anderes Werkzeug als Facebook oder WhatsApp wäre und sie auch mit Twitter nie etwas anfangen konnten.
Persönliches Fazit
Mastodon greift in meinen Augen viele sinnvolle Features der früheren Plattformen auf und es ist schön zu sehen, dass Dezentralität hier wieder etwas mehr Schwung bekommt. Das es technisch weitestgehend funktioniert, zeigt das Wachstum des Netzes und die dort entstandene Community. Es ist fast schon schade, dass bei der Oberfläche so experimentiert wurde und nicht einfach die Twitter-Oberfläche nachgebaut wurde. Auf GNUsocial Server wie Quitter oder Schnackr, wirkte die GUI sehr viel einladender. Es gibt solche Frontends zwar mit halcyon oder pinafore, nur sind das eben nicht die defaults und müssen aufwendig zusätzlich installiert werden. Auch das hashtags zur Verfolgung von Diskussionsthemen, nicht besser unterstützt werden, ist wirklich schade. Es gibt derzeit auch einfach ziemlich viele Leute, die high traffic verursachen, obwohl nur ein Bruchteil der Meldungen für mich interessant sind.
Die Community selbst scheint derzeit doch sehr anders aufgebaut zu sein als etwa auf D*. Es ist ein quirliges Durcheinander, ähnlich wie bei Twitter. Natürlich sind es die Nutzer selbst, die auch Farbe und Persönlichkeit einbringen und mit Katzenfotos, Spruchbilder und foodporn auf sich aufmerksam machen. Gefragt wird nach der passenden iOS App, Diskussionen gehen über die Zahl der Follower. Nicht zu vergessen ein Guten Morgen / Abend in das gesamte Fediverse …
Um ganz ehrlich zu sein, ich bin eigentlich weniger Selbstdarstellung und (IMHO!) raus posaunen von Nichtigkeiten gewohnt. Mir liegt da eher an einer Verbundenheit über gemeinsame Interessen, oder den Austausch zu Neuigkeiten oder der Hinweis auf Wissenslücken. Mich muss auch keiner zu einem RT / boost ermuntern, ich komme da schon selber drauf, dass ich Inhalte die ich für relevant halte, auch gerne weiter verteile. Gelegentlich sind es mir eigentlich auch zu viele persönliche Details (Tod und Leiden, Sexualität, …), welche die Leute so ins Fediverse verteilen. So stark möchte ich eigentlich gar nicht in Ihrem Leben involviert werden.
Leider muss man auch konstatieren, dass sich Nutzer oft kaum Mühe machen, um Mastodon angenehm nutzbar zu halten. Statt erst zu suchen und existierende Inhalte zu teilen, wird einfach doppelt und dreifach gepostet. Oft werden einfach die Posts aus Twitter / FB / … direkt verlinkt, ohne einfach die wesentlichen Inhalte zu entnehmen und den Post damit lesbar zu halten. Das geht weiter mit Fragen, welche durch einfaches googlen selbst zu beantworten wären, doch stattdessen mit #followerpower erst einmal andere befragt werden. Aber das sind natürlich Phänomen, die sind so alt wie das Internet selbst ;). Ich bin aber nicht sicher, ob hier nicht ein etwas organischeres Wachstum, wie etwa bei Diaspora, vielleicht gesünder für eine Community ist.
Obwohl sowohl Follower als auch Admins die mir begegneten sehr freundlich sind, zeigte das große Drama um Wil Wheaton (ja, der Wesley Crusher von Star Trek / Big bang theory / …), dass sich der Umgang mit einander erst finden muss. Wer mehr dazu erfahren will, lese bitte seinen Blogpost. Ich denke, in der kommenden Zeit muss sich zeigen, wie man den Spagat bei der Bewertung von Inhalten und Verhalten auflösen will. Ob man es im Großen und Ganzen schafft, die Balance zwischen den konservativen Vorstellungen eines Kaninchenzüchtervereins( mit verpetzen und klarer Vorgabe zur Höhe des Grüns) und einem anarchischen „einfach laufen lassen“, zu finden. Denn das irgendwann niemand mehr vor Spam / Porn und Mobbing eine Gemeinschaft besuchen mag, ist ebenso klar, wie dass sich niemand dauernd Beschuldigungen zur politischen Korrektheit und persönlichen Befindlichkeiten aussetzen möchte. Dezentrale Netze und Mastodon im Speziellen, legen hier die Verantwortung zu den hunderten (ehrenamtlichen) Serverbetreibern und nicht zu irgendwelchen anonymen ausgelagerten Moderatoren der Großkonzerne (siehe Film The Cleaners). Mit diesem Konzept lebt die Blogosphäre bereits seit fast 20 Jahren und es wird sich zeigen, ob es auch in unserer dynamischen Gegenwart mit microblogging bestehen kann. Dass die jüngst beschlossenen Uploadfilter und die existierenden Abmahnmöglichkeiten, soetwas nicht eben weniger arbeitsintensiv machen, ist leider absehbar.
Dass Admins unterschiedlich stark motiviert sind, ist absolut natürlich. So hatte ich bei mastodonten.de einen mehrtägigen Ausfall zu verzeichnen, was mich dann auch zu norden.social trieb. Die Anforderungen an die ehrenamtlichen Betreiber sind vielfältig und umfassen neben der technischen Administration (Updates, Backups, Monitoring, Hardware-Warung, …) auch viele organisatorische Aufgaben. Angefangen vom Spam- und Abuse-Handling, etwaige Rechtlicher Bewertungen, Finanziellem Management und letztlich auch Community-Building. Ob einzelne Personen das über eine längere Zeit auch kontinuierlich leisten wollen und ob bei Netzwerk-weiten Attacken o.Ä. auch eine Zusammenarbeit möglich ist, wird sich zeigen. Man kann nur dazu ermutigen und darauf verweisen, dass es mittlerweile zahlreiche Erfahrungen und Beispiele für ehrenamtlich betriebene Communities und Organisationen gibt, die es schaffen über viele Jahre wichtige Infrastruktur zu betreiben. Zu nennen sind neben Wikipedia oder OpenStreetMap auch Freifunk und die ebenfalls zahlreiche Betreiber von Gaming-Servern , Download-Mirrorn und Technikkollektiven. Nicht zu vergessen sind zahlreiche kleine Inhalte-Anbieter wie Podcaster, Youtuber und Künstler, die zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, mit Schwarmfinanzierung über patreon, liberapay oder bitcoin die laufenden Kosten zu decken. Wer Lust hat, kann natürlich auch für die Weiterentwicklung von Mastodon spenden.
In der letzten Dekade haben wir zu Hauf den Auf- und Niedergang von vielen Sozialen Netzen wie App.net, Google Plus, Myspace, … erlebt. Ebenso konten sich viele dezentrale Technologien nicht in der Masse durchsetzen. Man denke nur an bittorrent, PGP oder Yacy! Von daher ist es sicherlich noch viel zu früh, um erkennen zu können, welche Entwicklung Mastodon nimmt. Vielleicht sind in einem Jahr, die meisten Profile nur noch Karteileichen? Hilfreich wäre in jedem Fall die Interoperabilität zwischen den derzeit schon existierenden großen Systeme aus Fediverse und Federation. Ich bin da aber skeptisch, ob das trotz des sehr unterschiedlichen Feature-Umfanges, mittelfristig vernünftig gelingen kann. Ich würde mir auch wünschen, dass ActivityPub nicht durch viele Standard-Erweiterungen und eigenwillige Implementierungen zu sehr aufgeweicht wird und damit die Einheit und Potentiale des Fediverse gefährdet. Dieser universelle Ansatz, unabhängig von einzelnen Portalen und Anwendungen, ist in meinen Augen jedenfalls ein völlig neuer Impuls und es ist spannend zu sehen, welch vielversprechende Ergebnisse man hier seit März 2018 schon sehen kann. Insofern sollte man das unbedingt weiter beobachten und wenn möglich selbst nutzen und unterstützen! Parallel werde ich trotzdem noch D* nutzen und auch auf Twitter schauen was für ein konkretes Thema so an mir vorüber rauscht.