Heiraten 2023 – eGov at it’s best

„JA“, das Wort wollen wir uns dieses Jahr beide geben. Es ist 2023 und mit Digitalisierung bestimmt schnell erledigt oder? Naja … lest selbst wie Verwaltung in der Lebenslage Familienplanung nach wie vor funktioniert…

eGovernment Paradebeispiel

Ich habe selbst viele Jahre in der hiesigen Stadtverwaltung gearbeitet und weiß daher aus erster Hand, dass der Fokus der Arbeit und auch der Digitalisierung oft primär auf den Kernaufgaben der Verwaltung liegt. Aber da ist die Heirat zweier Partner doch genau das? Schließlich betrifft es die meisten von uns doch mindestens ein mal im Leben.
Es gibt ja schon seit Jahren den Neuen Personalausweis nPA und AusweisApp2, da sollte man doch annehmen, dass dies nach Corona auch problemlos und schnell von daheim erledigt werden kann?

Wird kompliziert …

Nunja, so einfach ist das natürlich nicht. Diese Aufgabe der Kommunen kommt derjenigen Kommune zu, wo man den Hauptwohnsitz hat. Auch wenn wir uns anderswo trauen lassen wollen, heißt es für uns Beantragen in der Stadt Rostock. Nach einiger Suche findet man rathaus.rostock.de – Eheschließung Termine und Reservierung. Dann klickt man weiter, bis man auf Unterlagen zur Eheschließung stößt. Mit geübten Auge findet man dann beim ganz nach unten scrollen auch PDFs mit Übersichten was man braucht. Zusammen mit einem herz-erweichenden Papier-Scan aus den 90er Jahren aus dem ich dies Artikelbild erstellt habe …

Für uns braucht es also:

  • PDF-Formular Basisangaben Eheschließung (wann, wo, gemeinsamer Nachname, …)
  • Beglaubigte Abschriften aus Geburtenregister (nein nicht Geburtsurkunde, denn die hätten wir ja sogar gehabt)

Wie das so bei Paaren ist, gibt es zwei Menschen, mit zwei eigenständigen Leben und 2 Heimatstädten. Also muss man da mal schauen wo man dort an die Geburtenregister kommt….

Abschriften Geburtenregister

Die spannende Frage also, wie kommt man an so ein Dokument? Vielleicht extra in den Städten auch aufs Amt?
Nun für mich hieß das erst einmal über schwerin.de suchen und herausfinden, dass man dort die Abschrift online bestellen und bezahlen kann. Und für meine Zukünftige musste ich mal für Göttingen suchen … und wurde nicht fündig … . Komisch, oder meinen die dort einfach Geburtsurkunde? Also Standesamt Rostock gemailt und einen Tag später erfahren … war irgendwo versteckt auf ner externen Seite.

Personalausweis bitte!

Wer denkt, dass wäre es schon gewesen, der irrt natürlich! Für beide Online-Verfahren benötigt man eine beglaubigte Kopie der Personalausweise von beiden. Nichts leichter als das! Naja …. man soll im Ortsamt sich einen Termin holen …. die gab es erst wieder für 4 Wochen später! Also mail an rostock.de wie Bürger da jetzt weiter kommt …. schließlich wollen wir ja noch dieses Jahr heiraten und die Perso-Kopien sind ja nur Level1 von x. Als Antwort kommt der heiße Tipp, dass früh immer abgesagte Termine frei werden … man muss nur schnell sein bis 9Uhr. Und am Montag ist im Ortsamt Lütten Klein auch Sprechstunde ohne Terminvergabe. Ich vermute da werde ich aber nicht der einzige sein …

Also beginnt eine Woche lang mein Arbeitstag mit Browser öffnen und F5 bis zum Erbrechen drücken. Ich fühle mich an jene Zeiten erinnert, wo man so hoffnungsvoll probierte Tickets für Konzerte oder Uni-Sport zu ergattern….
Nach einigen Tagen hat eine Kollegin Mitleid und klärt auf: Man darf beim Ortsamt Stadtmitte auch ohne Termin hingehen. Gesagt getan und nach kaum 10min Wartezeit und nochmals 15min Bearbeitungszeit habe ich meine Pers-Kopien mit Widmung für die Standesämter beider Städte und bin auch 15Eur ärmer.

Nun also konnten wir auch die Geburtsregister Abschriften bestellen und waren wieder etwas Geld los. Nach 2 Wochen hatten wir dann auch diese per Post erhalten.

Standesamt finally

Mit allen Unterlagen konnte ich also (alleine) einen Termin vereinbaren, den ich auch zeitnah bekam. Ein sehr netter aufgeweckter Sachbearbeiter nahm sich meinem Anliegen an und stellte und prüfte alle Unterlagen zusammen und gab das Ganze in die Bundesplattform ein. Dann wurde alles eingetütet und ging an das Amt der Kommune, wo später auch die Eheschließung stattfinden wird. Auch dafür waren wieder 80Eur fällig.

Dann war es einige Wochen still und ich telefonierte mit dem „richtigen“ Standesamt in der neuen Kommune. Ja die Unterlagen sind eingegangen …. wir müssten mal vorbeikommen zum persönlichen Vorbereitungsgespräch …. machen wir doch gerne 😉

rant: Digitale Verwaltung – Umständlich wie bisher auch

Nach vielen Wochen Rennerei bin ich einfach nur ernüchtert. Auch für eine so typische Lebenslage hilft mir der Aufwand der überall in Verwaltungen mit eAkten, Schnittstellen & Datenaustausch betrieben wird genau gar nichts. Ach Onlinezugangsgesetz … ja wichtig! Da kann ich mich jetzt online informieren, wo ich zu Fuß hin muss. Guckst du infodienste! Wozu nen digital Perso mit dem man online nichts anfangen kann? Warum kein Bürgerkonto sondern 100te Male im Leben Namen, Geburtsdatum, Anschrift, Telefon, Mail…. angeben und trotzdem nie transparente Kommunikation von der Verwaltung wenn was fertig ist? Warum keine online ausfüllbaren Web-Formulare mit workflows dahinter? Ich will nur das Nötigste angeben und den Rest sollen bitte die Verwaltungen untereinander ausmachen und mir das fertige Ergebnis dann schicken. Aber ja … deutsche Verwaltungen hängen digital einfach unaufholbar hinterher ….

Die netten KollegInnen an der Basis haben da nicht unbedingt Schuld dran. Oft sind es Gesetze und Anordnungen, welche die Verfahrensweisen und Papier mit Unterschrift manchmal erforderlich machen. Und offenbar gibt es da wenig Willen von Bund, Ländern aber auch Amts-Chefs daran etwas zu ändern. Denn wo ein Wille ist, da ist ja auch immer ein Weg. Gerne wird gleichzeitig die Überlastung ausgerufen und dann nicht wirklich an Optimierung der eigenen Abläufe gearbeitet und gar nicht probiert das zu leisten, was möglich ist. Ähnlich wie bei fragdenstaat.de scheitert es dann eben an den alten Papierakten. Kann man nix machen, niemand hat die Zeit die zu digitalisieren und einheitlich zu den neuen Sachen in die Fachanwendungen zu überführen … Offenbar ist alles dann doch nicht so schlimm und hey den Passierschein A38 kennen alle ja auch seit Asterix. Und wenn dann auf Teufel komm raus digitalisiert wird, dann gehts eben nach hinten los, weil Consulter einem Dinge versprechen die niemand braucht und niemandem helfen. Jüngst etwa die Online-KFZ-Zulassung.

Sorry aber jede Firma wäre wirklich pleite die sich so organisiert und umständlich (zusammen) arbeitet. Und Netflix, Amazon, … hätten nie den Kunden-Zulauf, wenn es dort umständlich wäre ein Abo abzuschließen. Ich sehe es aber einfach nicht, dass Verwaltungen im öffentlichen Dienst diese Innovationskraft jemals entfachen, um noch einmal das Ruder rum zu reißen. Organisationen, die sich einfacher (teilweise freier & kostenloser) Werkzeuge bedienen, um die Arbeitsprozesse und Abläufe für sich und die Bürger zu entschlacken, klarer zu durchlaufen und mit weniger Zeit und Geld mehr zu erreichen. Erlebt habe ich das auch als Sachbearbeiter so gut wie nie (leider!).

The end

Trotz all des Aufwandes freue ich mich auf unsere Hochzeit und das (weitere) gemeinsame Leben. Aber auch danach werd ich bestimmt in den Genuss von Offline-Bürokratie kommen: Namensänderung bei Banken, Versicherungen, Perso, Reiseausweis, … quasi das Expansionpack für mein Verwaltungsleben ;(

Author: Matthias
Betreibt dies Blog und probiert so einiges aus Technik herauszuholen. Oft mit Bezug zur Wirklichkeit, aber manchmal auch weil es eben geht ;-) Hat sich von Robotron über Basic, ASM, qC, ... soweit hochgearbeitet, dass er eigentlich gar nicht mehr so oft codet.

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