Mit birdnet-PI Vögel beobachten

Um Vögel an ihrem Gesang 24/7 zu erkennen hilft mir nun ein RPI, dank eines fertigen Software-Stacks.

Vielleicht kennt der ein oder auch die Szene, dass man Frühstückstisch zusammen rätselt, welche Vögel denn dort im Futterhäuschen sind. Oder wer ruft denn da in der Dämmerung?
Bei meinen Eltern auf dem Dorf habe ich deshalb einen Raspberry PI aufgesetzt und kann nun in Echtzeit und Retrospektive erkennen. Damit erledigt sich die ewige Debatte und dann und wann entdeckt man auch mal neue Arten, die man bisher gar nicht recht beachtet hatte.

Aber wie bestimmt man denn am besten Vögel? Ich hätte ja gerne so etwas wie den paxcounter Anwesenheitszähler, aber der sollte ja auch die Arten bestimmen. Ein paar Experimente mit Kameras und frigate hatte ich für andere Zwecke auch schon mal gemacht. Ebenso helfen mir Wildkameras öfters, um Tiere nachts zu bestimmen. Oh und unsere Meerschweinchen hatte ich mit einer eigenes trainierten KI beobachtet. Aber macht solch optische Überwachung bei solchen kleinen schnellen Vögeln überhaupt Sinn, gerade wenn man auch die Spezies herausbekommen will?

Will man das Ganze angehen, kommt man schnell darauf, dass die akustische Aufnahme und das Erkennen von Mustern / Fingerprints viel einfacher, zuverlässiger und für größere Bereiche funktioniert. Der ein oder andere kennt die Idee vielleicht noch von seinen MP3 z.B. mit Musicbrainz Piccard oder anderen Apps, die aus kurzen Ausschnitten von Liedern den Künstler und Titel bestimmen können.
Für Vögel hat sich die birdnet Bibliothek von der Cornell Universität und der TU Chemnitz offenbar schon seit längerem bewährt und wird als OpenSource bereitgestellt und weiterentwickelt.

Statistische Auswerung der Häufigkeiten verschiedener Vogelarten. Auffallend sind, das viele der  Vögel nur einmalig erscheinen und über die Stunden ganz unterschiedliche erscheinen.
Screenshot eines meiner ersten Erfassungtage

Nach einigen weiteren Recherche stieß ich auf einen Fork des Projektes BirdNET-PI von Nachtzuster, welcher wohl etwas fortgeschrittener als das upstream-Projekt ist und aktiv weiterentwickelt wird. Dieser bringt alle Dienste und Module für den Standalone-Betrieb mit und ermöglicht über eine Web-Oberfläche die Analyse zu begleiten, Einstellungen zu justieren und auch den RPI zu steuern, ohne mit der Shell weiter konfrontiert zu sein. Für die Auswertung werden permanent 5 Sekunden Chunks vom Mikrofon aufgenommen und auf Basis von Tensorflow-Lite läuft dann ein Birdnet-Modell per CPU über die Aufzeichnung und ermittelt passende Kandidaten, wenn Vogelstimmen aufgenommen werden. Die erfolgreich erkannten Samples werden gespeichert und als Statistik erhält man die Verteilung über den Tag etc.

Aus einer Wohnung heraus sieht man ein Küchenfesnter. Darin steht ein Mikrofon mit Windschutz was in den sonnigen Garten gerichtet ist. An einem Kabel ist ein kleiner Raspberry PI Computer angeschlossen
Mic und RPI, mehr braucht es nicht

Ich hab mir für meinen Standort ein ganz einfaches Schönwetter-Hardware-Setup zusammengestellt, indem ich ein einfaches USB Mikro mit Schaumstoff an meinen RPI4 gesteckt habe. Ein Netzteil mit Kabeltrommel versorgt alles mit Strom und ja das WLAN ist auch noch in Reichweite ohne zusätzlichen Zirkus 😉 Klar kann man das auch outdoor-tauglicher machen und alleine eine Powerbank würde für einen autonomen Betrieb ja erst einmal reichen. Mal schauen ob ich da dran bleibe und evtl. auch andere Mikrofone wähle.

Die Software ist ein wilder Mix von PHP, Python und zahlreicher Pakete die mit verwendet werden, um die Erkennung und die Steuerung des RPI-SBC zu ermöglichen. Nicht so ganz schön, aber hey es funktioniert tadellos! Wer möchte, kann seine Erkennungen und samples auch automatisch an birdweather.com übermitteln, sodass jeder dies auf einer Karte und globalen Analyse sehen kann.
Durch die integrierte Apprise-Bibliothek kann man auch Push-Benachrichtungen so einstellen, dass etwa pr NTFY das Smartphone benachrichtigt wird, oder etwa per MQTT auch der Homeassistant die neuesten Entdeckungen anzeigt. Oder man beschickt damit einen Mastodon-Bot, oder oder oder …
Bitte bedenkt aber auch den Datenschutz, wenn ihr Mikrofone in (semi-)öffentlichen Raum hängt. Sehr schnell hört man dort ja doch den schimpfenden Nachbarn, Telefonate von Passanten, usw. Man kann zwar in den Einstellungen die Übermittlung von menschlicher Sprache deaktivieren und dann wird jedes sample zuvor noch einmal gescannt, aber das gilt natürlich nicht für lokale Samples oder den Livestream, den jeder über die Oberfläche anhören kann, so ihr diese freigebt. Ein wichtiges, lesenswertes Thema also!

Screenshot der grünen Oberfläche von birdnet-PI. Auf mehreren Abschnitten sieht man untereinander eine Tabelle der letzen erkannten Vogelarten. Darunter ein Balkendiagramm wann welche Art wie häufig pro Stunde erkannt wurde. Darunter ein Spektogram der letzten neuesten Erkennung. Darunter eine Liste der letzen Top-5 erkannten Vogelstimmen. Darunter ein Live-Spektogram des letzten Zeitabschnittes

Wer möchte, kann das Ganze natürlich auch noch ausbauen. Per RTSP könnte man sich das Audio seiner Überwachungskamera (oder anderer Quellen) mit nutzen. Und klar, professionelle birder / Vogelkundler rüsten mit Richtmikrofonen oder Komplettlösungen wie dem Birdweather PUC auf. Vieles geht aber offenbar auch in Selbsbau-Manier und indem man etwas Zeit investiert, etwa für gute Mehrkanal-Mikrofone.
Apropos Zeit … wer der Thematik treu bleibt, kann ja demnächst bei der Stunde der Gartenvögel, also der Vogelzählung des NABUs mitmachen 😉 Wem aber Piepmätze zu dröge werden, kann sich ja in Richtung Nacht orientieren und Fledermäuse mit recht ähnlichem Equipment identifizieren?

In meinen Augen hat man mit dem Projekt einen niederschwelligen Ansatz für Normalsterbliche, die damit unter Umständen erst ihr Interesse an Federvieh und fliegende Besucher entdecken? Vielleicht ist das für Kinder / Jugendliche ein schöner Einstieg, um Technik und Natur kennenzulernen und sowohl drinnen und draußen etwas Schönes zu machen?
Für den Einstieg gibt es das Ganze natürlich auch als Apps (z.B. WhoBIRD für befreite Android) und so ein Smartphone / Tablet ist natürlich auch viel mobiler, wenn auch mal bei der Oma im Garten die Vögel erkundet werden sollen 😉

P.S: Wem die komische „Treppe“ in der Statistik bei den erkannten Arten im ersten Screenshot aufgefallen ist … So sieht das aus, wenn die Kuckucksuhr (die auch andere Vögel abspielt) aus der Küche gehört und mit aufgezeichnet wird 😉

Author: Matthias
Betreibt dies Blog und probiert so einiges aus Technik herauszuholen. Oft mit Bezug zur Wirklichkeit, aber manchmal auch weil es eben geht ;-) Hat sich von Robotron über Basic, ASM, qC, ... soweit hochgearbeitet, dass er eigentlich gar nicht mehr so oft codet.

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