So fühlt es sich also an, wenn man selbst von einer Abmahnung wegen Filesharing betroffen ist, ohne dass man sich hat was zu Schulden kommen lassen. Wer schon immer mal detailliert wissen wollte wie das abläuft, der sollte weiterlesen. Wen das eher abschreckt seinen Internet-Zugang weiter sorgenfrei zu nutzen, der sollte vielleicht hier stoppen 😉 Um Kosten zu sparen, nutzen wir gemeinsam mit einer Nachbar-WG deren Internet-Zugang. Vor einigen Wochen kam dann der Schock, als wir ein Schreiben der Kanzlei Waldorf Frommer erhielten. Darin wurde die Anschlussinhaberin beschuldigt urheberrechtlich geschütztes Eigentum eines großen Holywood Studios verbreitet zu haben, welches Mandant der Kanzlei ist. Gesamtkosten von über 800Eur standen im Raum. Der Vollständigkeit halber hier die anonymisierte Form des Schreibens:
Da ich keine juristische Ausbildung genossen habe, jedoch aber ein Studium der Informatik und schon die ein oder andere rechtliche Auseinandersetzung mit Behörden durchstehen musste, sind mir die folgenden Aspekte aufgefallen
- enge Fristen von wenigen Tagen, kein Beleg der Mandantschaft
- nur 16 Minuten soll ein Upload erfolgt sein
- Kostenaufstellung sehr unspezifisch „1000Eur“
Gerade die „Beweisführung“ der Dienstleister des Mandanten lassen mich wirklich sehr an der IT-Forensik zweifeln, welche für das Landgericht ausreicht, um solche personenbezogenen Daten ermitteln zu lassen:
- kein Hersteller, Versionsnummer oder weitere Angaben zum „Peer-to-Peer Forensic Sytem (PFS)“
- keine digitalen Signaturen und damit digitale Beweiskette, eigentlich ein Blatt Papier mit Angaben die jeder erstellt haben könnte
- keine Angaben zum transferierten Inhalt (Länge, Sprache, Qualität, …)
Wie bei einem 1Mbit DSL Upload in 16 Minuten eine weltweite vollständige Verbreitung des Werkes erfolgt sein soll, erscheint mir physikalisch zwar unmöglich (weniger als 120MB in der Zeit übertragbar), aber was weiß ich schon…
Am meisten irritierte mich jedoch die Annahme, dass auch im Jahr 2015 ausschließlich der Leitungsinhaber Rechtsverletzungen begangen haben kann. In Zeiten von (freien) WLANs, Routern die ab Werk mit schweren Sicherheitslücken geliefert werden und Trojanern denen es ein Leichtes ist, Computer mit Windows zu infizieren, sollte man auch als Jurist doch auch über den Tellerrand schauen? Oder ist diese „Beweislastumkehr“ vielleicht wirklich symptomatisch für eine „Abmahnindustrie“ die sich im Umfeld der „Content-Mafia“ der wenigen großen Inhalteanbieter möglicherweise gebildet hat?
Wer sich im Netz informiert wird schnell auch auf seriöse Handlungsempfehlungen für Abmahnungen stoßen, wie etwa hier von Udo Vetter (lawblog.de). Kurzum: man kann eine eigene Unterlassungserklärung abgeben, was die Kanzlei dann dazu zwingt ein gerichtliches Verfahren zu eröffnen, so sie denn den potentiellen Rechtsbruch weiter verfolgen lassen will. Da die Beschuldigte in unserem Fall alle Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hatte (geschlossene Benutzergruppe, Belehrung der Teilnehmer, … ) und zum Zeitpunkt der Tat beweisbar den Anschluss nicht selbst genutzt hat, stehen die Karten für eine Verhandlung eigentlich nicht schlecht. Ein entsprechendes Antwortschreiben und eine Erklärung hatte ich deshalb schon mal vorbereitet: Vorschlag Antwort
Leider entschied sich die Angeschuldigte dafür den Vorfall über einen eigenen Anwalt und den Anwalt der Kanzlei zu klären. Dies resultierte zwar darin, dass die Schadenersatzforderung fallen gelassen worden, aber auch in Kostennoten beider Anwälte von zusammen über 400Eur. Wenige Tage später zeigen uns dann die Krautreporter, an wen unser Erspartes ging. Wie schön, dass auch die Gesetzgeber eher neue Unsicherheiten schaffen will, anstatt Privathaushalte vor solchen juristischen Auseinandersetzungen zu schützen. Was bleibt ist also, dass auch „Otto-Normalbürger“ ihre Identität durchgängig zu verschlüsseln, so wie es die Freifunk Community schon länger mittels VPN-Tunneln realisiert.